Kunst existenziell oder ’nice to have‘? Podiumsdiskussion im Kulturkreis Hösel
Denkt man beim Stichwort „Podiumsdiskussion“ nicht automatisch mit Grausen an manche chaotischen Talkshows im Fernsehen? Es geht auch anders! Gut 50 kunstinteressierte und meinungsstarke Zuhörer folgten einer Einladung des Kulturkreises Hösel zu einer Podiumsdiskussion über die Bedeutung von Kunst in den Gemeindesaal der Katholischen Kirchengemeinde Hösel.
Das Podium war mit Katherine Heid, Kulturförderin, Ralf Gottesleben, selbständiger Schauspieler und Theatermacher, Matthias Hornschuh (Keynote Speaker), Film- und Medienkomponist, André Tünkers, Vorstand der Margarete Tünkers Stiftung und Roland Zag, Drehbuchautor kompetent besetzt.
Unter der gelassen-souveränen Moderation von Mitveranstalter Michael Schäfer, selbst Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, setzten sich die Podiumsteilnehmer intensiv mit der Frage auseinander, was Kunst für Mensch und Gesellschaft bedeute und wie sie zwischen den Polen „nice to have“ oder „existenziell“ einzuordnen sei. Die Diskussion öffnete ein breites Spektrum von Aspekten. Hier einige Schlaglichter und Ergebnisse der Diskussion:
„Kunst fördert das gemeinschaftliche Erleben, wirkt als ständiger Innovator und ist damit Lebenselixier der Demokratie. Umso wichtiger ist es, die Jugend systematisch und professionell an Kunst heranzuführen“ „Kunst ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor (6% des gesamteuropäischen Bruttosozialprodukts). Kunstschaffende sind Unternehmer und Arbeitnehmer und sollten von ihrer Arbeit leben können.“
„Anders als bei den europäischen Nachbarn ist in Deutschland ein eher elitäres Kunstverständnis ausgeprägt – 70 Prozent der Deutschen bejahen die staatliche Kunstförderung, aber nur ca. 30% der Bevölkerung fühlen sich persönlich von den künstlerischen Angeboten angesprochen“ (Bertelsmann-Studie 2023).
„Kultur ist keine Dienstleistung. Sie ist im Kern ein Geschenk, das sich die Gesellschaft selbst macht, indem sie Künstlerinnen die Freiheit gibt, sich auszudrücken. Aber Kunst ohne Publikum, ohne Resonanz ist gar nichts. Wir haben keine Krise der Kreativen, denn Künstler:innen gibt es mehr denn je. Wir haben eine Krise der Rezeption, also des Publikums, der Menschen, die NICHT mehr in Galerien, auf Lesungen, zu Konzerten usw. gehen, weil sie lieber zuhause bleiben und die Vielfalt der verfügbaren online-Angebote nutzen.
Einen besonderen Weg, Menschen in ihrem Alltag mit Kunst zu konfrontieren, verfolgt die Firma Tünkers in Ratingen. In den Standorten des Unternehmens wird Kunst auch am Arbeitsplatz in der Fertigung präsentiert. Darüber hinaus fördert die Margarete Tünkers Stiftung Jugend, Kultur, Bildung und Soziales in Projekten.
Die Podiumsteilnehmer äußerten teils kontroverse Standpunkte, die Debatte wurde aber stets sachlich und wohltuend diszipliniert ausgetragen. Zahlreiche spontane und teils kritische Wortmeldungen aus dem Publikum belebten die Diskussion zusätzlich. Ein Beispiel: „Künstler müssen sich gelegentlich selbstkritisch fragen, ob sie einen automatischen Anspruch darauf haben, dass ihr Angebot von der Gesellschaft akzeptiert wird. Speziell mit Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene stellt sich die Frage, ob sich ihr Kunstverständnis nicht deutlich von dem vieler Kunst- und Kulturmacher unterscheidet, die sich über mangelnde Resonanz beklagen.“
Als generelles Fazit lässt sich die Eingangsfrage aber mit einem klaren JA für die existenzielle Bedeutung von Kunst beantworten – es liegt an uns allen, der Kunst in unserer Gesellschaft den ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen – jeder kann etwas tun. Roland Zag brachte es auf den Punkt: „Gehen Sie ins Theater, ins Kino, ins Konzert oder ins Museum und setzen Sie sich persönlich mit Kunst auseinander“!
Für Ratinger kann der abschließende Appell nur lauten: „Nutzen Sie die vielfältigen Ratinger Kulturangebote und die alle Generationen ansprechenden Veranstaltungen des Kulturkreises Hösel: https://kulturkreis-hoesel.de/
Nach zwei Stunden, die wie im Flug vergingen, klang die Veranstaltung in lebhaften Einzeldiskussionen bei Getränken und Snacks aus.
VG Wolfram Brecht